Emma


Emily wurden von einem Tierheim in Rheinland Pfalz vorgestellt als Fundtier, das an einer Autobahnraststätte von der Leitplanke gepflückt worden war und ins Tierheim kam...

Dort entpuppte sie sich als null-zwingertauglich: sie verfiel sofort in Stereotypien (Schwanzjagen bis zur Erschöpfung, Pfotenlecken, und sie wanderte planlos herum, um irgendwann in einer Ecke stehenzubleiben und irgendwie "desorientiert oder planlos" vor sich hinzustarren... Und sie schleppte Steine hin und her, was sie wohl schon zuvor getan hat, wie man unschwer an ihrem Gebiss erkennt...

Mit anderen Hunden war sie verträglich bis desinteressiert an selbigen. Fremde Personen interessierten sie nicht. Nachdem sie so problematisch im Zwinger war, landete sie zuhause bei einer engagierten Tierheimmitarbeiterin, die selber einen Bulli hat. Die beiden Hunde arrangierten sich und lebten friedlich und desinteressiert nebeneinander her.

Wir sahen Emmas Foto im Internet und wussten sofort, dass das "unser" Hund sein könnte. Bei Schneetreiben sind wir 600 km einfache Strecke ins Tierheim gefahren, um Emma zu besuchen.

Wir gingen zunächst ohne Hunde rein und die Tierheimleute liessen Emma durch den Flur zu uns laufen. Sie ignorierte (wie gewohnt) alle Anwesenden, tappte aber dann zielstrebig und freundlich wedelnd schnurstracks auf meinen Mann zu, der sich hinkniete und sie in den Arm nahm....Fall erledigt!

Draussen haben wir unsere beiden Jungs laufen lassen und als Emma hinzukam, fingen die drei an zu toben und zu spielen, als hätten wir Emma für zwei Wochen in einer Hundepension untergebracht und würden sie grad wieder abholen; sie hüpfte herum, pinkelte im Stehen, knabberte an Turbos Öhrchen und flitzte mit Nitro um die Bäume. Die Tierheimleute trauten ihren Augen nicht...

Sie war total heruntergekommen im Tierheim gelandet; die Beine waren dick vor Wassereinlagerungen, sie war stark abgemagert, hatte üble Probleme mit Demodex, und das Resthaarkleid war borstig und dünn... Sie hatte Milben und null Muskulatur. Die hatten sich schon alle Mühe gegeben im Tierheim, aber eine Schönheit war sie (äusserlich) noch nicht wieder. Aber dieser Hund war genau das, was uns noch gefehlt hatte - und daran bestand nicht der geringste Zweifel.

Mein Mann hat sie dann an die Leine genommen (unsere beiden Jungs waren schon im Auto und das Fahrzeug war verschlossen zwischen etlichen anderen geparkt... und ging mit ihr zum Ausgang. Emma lief ganz emsig vor ihm her und zog ihn eilig zum richtigen (ihr bis dahin völlig unbekannten) Auto. Hans öffnete die Schiebetür, Emma sprang hinein und kletterte in die freie Hundebox mit dem offenen Gitter, liess sich mit einem Seufzer auf die Decke plumpsen; Hans schloss das Gitter und das war's.
Pipipausen hat sie wegen des starken Schneetreibens verweigert und sie schlummerte süss und friedlich, bis wir zuhause ankamen (nächstens um zwei...)
Zuhause haben wir alle drei aus dem Auto gelassen, die haben zusammen noch eine Pinkelrunde gedreht und noch ehe wir das Auto ausgeräumt und uns umgezogen hatten, lagen alle drei einträchtig nebeneinander auf dem Sofa und schliefen...

Turbo hat in den nächsten Tagen dann klare Ansagen gemacht, was hier geht und was nicht und einmalige Zurechtweisungen reichen, dann läuft das mit Emma.

Von Anfang an haben wir sie ohne Leine im Gelände mitlaufen lassen; sie hört sehr gut und ist bemüht, uns nicht aus den Augen zu verlieren. Sie will auf keinen Fall nochmal verschütt' gehen...

Nach zwei Tagen hat sie einmal im Garten gestanden und beobachtet, wie Hans im Auto wegfährt, ohne sie mitzunehmen. Da hat sie geschrieen wie ein kleines Kind. Ich konnte sie nicht beruhigen und habe sie ins Haus getragen.
Solche Szenarien haben wir ihr die nächste Zeit dann erspart und sie ganz oft mitgenommen. Sowas ist nie wieder passiert.

Übrigens waren die Leute vom Tierheim toll! Die sind auch auf meine Bitte eingegangen, Emma nicht noch vor der Abgabe zu impfen. Eigentlich sollte das gleich die erste Woche gemacht werden, als sie ins Tierheim kam, aber ihr Zustand war so schlecht, dass der TA das nicht machen wollte. Nach einer Woche, als wir schon Interesse angemeldet hatten, war der TA noch immer besorgt und heilfroh, als ich darum bat, man möge es sein lassen, u.a. weil sich die Sache mit der Zulassung der Tollwutimpfstoffe für drei Jahre überschnitt und mein TA schon entsprechende Impfstoffe beschafft hatte, aber die vom Tierheim noch nicht und weil ich einfach Angst hatte, dass das einfach zuviel für sie werden würde...
Sie haben auch die Demodikose nicht medikamentös bekämpft, weil ich versuchen wollte, das durch Hochfahren des Immunsystems in den Griff zu kriegen (was auch prima funktioniert hat). Die Art, wie sie den Hund beschrieben haben, traf auch den Nagel auf den Kopf! Echt gut, die Leute da.

Nachdem Emma dann zwei Wochen bei uns war, wurde sie gegen Tollwut mit einem 3-Jahres-Präparat geimpft, weil wir dann mit ihr in Urlaub fahren wollten. Unser Tierarzt bezeichnete sie als sehr fit und in gutem Zustand. Die fünf Jahre, auf die man sie geschätzt hatte, hielt er für zu hoch gegriffen..

Im Urlaub hatte sie einen Mords-Spass, genau wie wir alle - und keiner, der uns sah, wäre auf die Idee gekommen, dass mit Emma ein Neuzugang an Bord war. Ihrem Immunsystem hat die Nordsee sehr gut getan und ihre Hautprobleme verschwanden praktisch über Nacht so gut wie völlig. Ihr Haarkleid wurde weiss und weich und dicht und nach ein paarmal Muskelkater wurde sie richtig fit und bekam auch richtig Muckis.

Ich denke, dass Emma schon früher in einer Hundegruppe gelebt hat. Sie mag Hunde und sie kann sie blitzschnell einschätzen und sich auf jeden Typ ruckzuck einstellen. Beim Fressen ist sie nicht entspannt. Sie klaut aber nicht bei anderen (seit Turbo das "verboten" hat) und verteidigt auch ihren Napf nicht, aber sie frisst sehr hastig und haut rein, was sie auf die schnelle kriegen kann... wie ein Frontlader...
Ich kann aber mittlerweile problemlos den Raum verlassen und jeder der drei frisst brav seinen Napf leer und geht dann Pinkeln. Sobald Turbo sich umgedreht hat, darf jeder den Napf eines anderen Kontrollieren...
Alles ruhig und diszipliniert.

Frisches Fressen, so wie das bei uns angesagt ist, liebt Emma sehr! Ein Foto, auf dem sie etwas gelangweilt in einen Napf mit Trockenfutter starrt, so wie wir das vom Tierheim bekommen haben, könnten wir hier nicht schiessen - so schnell, wie die ihr Fleisch mit Kräutern oder ihren Hüttenkäse mit Obst verdrückt, ist kein Auslöser einer Kamera ;-))

Langsam wird sie ein richtig schickes kleines Hundi! Freundlichen fremden Hunden begegnet sie ebenso; unfreundliche ignoriert sie. Fremde Menschen interessieren sie nicht. An uns hängt sie unwahrscheinlich...

Sie hat bei uns ein einziges Mal in einer Situation, die sie ein bisschen überforderte, ihr Schwänzken fixiert und wollte grad anfangen, es zu jagen, als Nitro hinzukam und total irritiert war, weil er das Szenario nicht einschätzen konnte. Der hat sie dann abgelenkt und später hat sie nie wieder eine ihrer Stereotypien gezeigt...

Bis auf die Tatsache, dass sie praktisch ständig versucht, an Fressbares zu kommen, nie richtig gelernt hat, an der Leine zu laufen und beim Spielen nie gelernt hat, wieviel Beissdruck für Menschenhände noch gut verträglich ist (wobei sie sich aber alle Mühe gibt und rasche Fortschritte macht!), wäre sie ein wunderbarer Hund für viele Leute, die einfach eine anhängliche, liebe, unkomplizierte und mit Artgenossen verträgliche Hündin haben möchten, die jede Zuwendung aufsaugt wie ein Schwamm und sich so bemüht, alles richtig zu machen und die brav überall mit hingeht, nur um dabeisein zu dürfen.

Leider hat sie dafür die falsche "Verpackung"...oder zum Glück - für uns :-)!

Ich hoffe, dass sie noch viele Jahre mit uns leben wird, denn sie ist unser Traum-Bulli. Ein Hund, den man selber von klein an aufgezogen hat, könnte nicht liebenswerter sein als sie es ist.

liebe Grüsse,
Petra
mit Nitro, Turbo und Emma

 

von Petra Kolbinger